Auf den Spuren von 15 Jahren Bürgermut

In 15 Jahren Bürgermut ist viel passiert. Unzählige Menschen, mutige Ideen und zahlreiche Projekte haben die Stiftung geprägt. Zu unserem Jubiläum haben wir uns auf Spurensuche begeben.

In einem Sechseck ist eine Torte zu sehen, auf der eine Wunderkerze brennt.

Die Gründung

Mit einem Buch fing alles an. Mitte der 2000er erschien „Kopf hoch Deutschland – optimistische Geschichten aus einem verzagten Land“ von Hajo Schumacher. Einen Mann begeisterte die Lektüre sehr: den ehemaligen Politiker und Unternehmer Elmar Pieroth.

Er beschloss, Initiativen aus der Zivilgesellschaft zu unterstützen und mehr Menschen für ein bürgerschaftliches Engagement zu motivieren.

Elmar Pieroth kontaktierte den Autor des Buches und lernte u. a. Uwe Amrhein kennen. Treffen fanden statt, Gespräche wurden geführt. 2007 ist es so weit: Die Stiftung Bürgermut wird gegründet. Das erste Projekt soll ein Atlas der besten gemeinwohlorientierten Ideen in Deutschland werden.

In Elmar Pieroths Büro im Berliner Nikolai-Viertel nimmt die Stiftung Bürgermut ihre Arbeit auf. Von Anfang an dabei sind Uwe Amrhein und Katarina Peranic. In der ersten Zeit ist alles chaotisch. Das kleine Team arbeitet euphorisch daran, die Stiftung und ein Netzwerk in die Zivilgesellschaft aufzubauen.

Bald ahnen das Bürgermut-Team und der Stifter, wie umfangreich ihr Engagement-Atlas wird. Die Buchform passt nicht: zu dick, zu schwer, zu schnell nicht mehr aktuell. Mit dem Weltbeweger, einer Plattform, die Engagement sichtbar machen und Engagierte vernetzen soll, schlägt Bürgermut einen digitalen Weg ein.

Do-it-Yourself-Stiftung

In den ersten Jahren der Stiftungsgeschichte herrscht Aufbruchstimmung wie in einem sozialen Start-up. Mit dem Weltbeweger, einem sozialen Netzwerk für die Engagementszene, sammelt Bürgermut viel Erfahrung, lernt mutige Projekte und Wegbegleiter:innen kennen. 1000 Projekte gehen zum Launch der Seite online. Der Weltbeweger schafft es ins Fernsehen. Bürgermut professionalisiert sich, wächst, gewinnt neue Mitarbeiter:innen und Profil. Auch dank ehrenamtlicher Unterstützung.

Verstärkt rücken Wissenstransfer, Austausch und Vernetzung in den Bürgermut-Fokus. Im Herbst 2012 findet in Berlin das erste openTransfer CAMP statt. Weitere Barcamps in Köln, München, Berlin folgen 2013. Die Barcamps bringen erfolgreich Engagierte zusammen und fördern den Austausch. Durch die Themenvielfalt wird Bürgermut in vielen Engagementbereichen bekannt.

Mit Formaten wie E-Books, Webinaren und digitalen Sprechstunden unterstützt Bürgermut ehren- und hauptamtlich Engagierte, sich zu professionalisieren und zu vernetzen. Und wirksam zu wachsen. Denn das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden.

Bürgermut wächst. Und entwickelt neue Programme wie D3 – so geht digital und den Digital Social Summit, die größte Digital-Konferenz für zivilgesellschaftliche Organisationen. Mit openTransfer Patenschaften unterstützt Bürgermut die Patenschafts- und Mentoringszene und seit 2022 mit openTransfer Zusammenhalt zudem das vielfältige Engagement im Osten von Deutschland.

Das Enter-Magazin

Sich einmischen, Debatten anregen, Engagement sichtbar machen. Dafür war das digitale Magazin Enter da. 35 Ausgaben sind zwischen 2010 und 2015 erschienen. Darin wurden zahlreiche engagierte Menschen, mutige Ideen und Projekte, prominente Initiativen, kluge Bücher, Filme, Trends, Zahlen vorgestellt. Herzstück einer jeden Ausgabe: die Titelstory.

In Ausgabe #5 spricht Raúl Krauthausen darüber, wie den Sozialheld:innen Engagement zwischen Mainstream und Protest gelingt. Am Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr zeigt das Magazin in Ausgabe #11, wie die durchgetaktete Arbeitswelt das klassische Ehrenamt einschränkt und mit welch einfachen Mitteln Unternehmen Engagement fördern können. Für die Reise-Ausgabe #15 sprach Enter mit Roger Willemsen. Und in Ausgabe #27 wird die Geschichte von Nadia Qani erzählt, die nach ihrer Flucht aus Afghanistan 1980 einen Pflegedienst gründete und sich mit ihrem Verein ZAN für die Rechte afghanischer Frauen einsetzt.

Informieren, unterhalten, politisch werden, Mut machen, sich zu engagieren, auch mal den Finger in die Wunde legen und die Zivilgesellschaft kritisieren, so umreißt der damalige Herausgeber Uwe Amrhein die Ziele des Magazins.

Austausch und Vernetzung: Die Barcamps

Wie kommt das Wissen in die Köpfe? Diese Frage hat Bürgermut in den ersten Jahren intensiv beschäftigt. Seit der Stiftungsgründung hatte das Team immer wieder eine Erfahrung gemacht: Lokal gibt es zivilgesellschaftliche Projekte, die viel bewegen. Und es gibt viel Wissen. An Austausch und Wissenstransfer jedoch mangelt es. Es gibt kaum Wege, die Ideen und das Wissen in die Breite bringen.

Mit dem Barcamp – der Unkonferenz – fand Bürgermut das passende Format. Hier können sich Engagierte die Infos holen, die sie brauchen. Schon das erste openTransfer CAMP (otc) im Herbst 2012 brachte erfolgreich zivilgesellschaftliche Akteure zusammen. 150 Engagierte aus unterschiedlichen Bereichen reisten nach Berlin in die Kreuzberger Viktoria-Höfe, um sich über Skalierung und Wissenstransfer auszutauschen.

„Für Bürgermut“, sagt Katarina Peranic, „begann eine Lernreise“. Die CAMPs bedeuteten einen enormen Schub für die Stiftung: Sie brachten Bürgermut in engen Kontakt mit zahlreichen Engagierten und Förderern und erhöhten die Sichtbarkeit enorm.

Zahlreiche Barcamps hat Bürgermut in den letzten 10 Jahren u. a. in Berlin, Köln, München, Frankfurt, Schwerin, Hamburg, Rostock, Stuttgart, Leipzig, Dresden, Dortmund mit Schwerpunkten wie Skalierung, Refugees Helpers, Familienhilfe, Inklusion, Patenschaften, Digitalisierung, Umweltschutz und Zusammenhalt ausgerichtet. Auch für tolle Kooperationspartner wie die Körber-Stiftung mit Fokus auf MINT-Förderung.

Wirksam wachsen

Skalierung – ein sperriger Begriff für eine gute Sache. Schließlich geht es darum, kluge Ideen und lokal wirksame Projekte in die Breite zu bringen.

Bereits auf dem ersten openTransfer CAMP 2012 war Skalierung ein Thema. Zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterstützen, nachhaltig zu wachsen, ist spätestens seitdem eine Kernaufgaben von Bürgermut. 2014 begann das Team, Organisationen zum Wachstum zu beraten. Was ist euer Wirkungskern? Was wollt ihr erreichen? Wie wollt ihr vorgehen? In zahlreichen Workshops und Sprechstunden wurden seither diese Fragen geklärt.

Gemeinsam mit aqtivator konnte die Bürgermut-Skalierungsmethode zum openTransfer Accelerator weiterentwickelt werden. Seit 2016 unterstützt das Stipendium wachstumsmutige Vereine und Non-Profits. Über 70 Organisationen haben inzwischen ihren Weg gefunden, ihr Projekt zu skalieren. Erfolgreich eine Strategie entwickelt, an neuen Orten Partnerschaften geschmiedet, Gelder akquiriert, die Wachstumsphasen und Herausforderungen gemeistert, haben mit uns unter anderem Acker, die Digitalen Helden, Start with a Friend, a tip:tap, ProjectTogether und Kopfsachen.

Wissenstransfer

Der Bürgermut-Youtube-Kanal ist eine wahre Schatzgrube. Er lässt erahnen, mit welcher thematischen Bandbreite die Bürgermut-Programme in den letzten 15 Jahren ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen unterstützt haben.

Neben Austausch und Vernetzung ist Wissenstransfer ein wichtiges Ziel der Stiftung. Mit vielen Angeboten möchte Bürgermut die Arbeit von Engagierten und zivilgesellschaftlichen Organisationen leichter machen und lädt Praktiker:innen und Expert:innen ein, ihr Wissen zu teilen. Dafür hat die Stiftung Formate wie Webinare, digitale Sprechstunden oder Meet-ups, die openTransfer Blogbeiträge und E-Books, das Online-Magazin von D3 – so geht digital oder Konferenzen wie den Digital Social Summit etabliert.

Refugees Welcome

Im Sommer 2015 erreichen hunderttausend Geflüchtete Deutschland. Die Hilfsbereitschaft ist groß, an vielen Orten in Deutschland entstehen Initiativen, die Geflüchteten beim Ankommen helfen, auf Ämter begleiten, Sprachkenntnisse vermitteln, Begegnungen fördern oder Spenden sammeln. Mit ihrem Engagement setzen viele Menschen den „Migrationskritiker:innen“ und Rechten etwas entgegen: gelebten Humanismus. So formuliert es die Journalistin und Bloggerin Birte Vogel, die bereits 2014 das Informationsportal wie-kann-ich-helfen.info entwickelt hat.

Im November 2015 veranstaltet Bürgermut in Berlin das Barcamp Refugee Helpers, um die Initiativen zusammenzubringen und Erfahrungsaustausch zu fördern. 150 Teilnehmer:innen kommen, lernen voneinander und vernetzen sich. 2016 erscheint in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) das gleichnamige E-Book. Es beantwortet ehren- und hauptamtlich Engagierten wichtige Fragen rund um die Arbeit mit Geflüchteten, stellt Projekte und Initiativen vor, vermittelt Tipps und macht die Rolle und Angebote der Freiwilligenagenturen sichtbar.

Das wichtige Engagement der Initiativen und Projekte durch Austausch und Wissen zu erleichtern, wird eine neue Aufgabe für Bürgermut. Gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung setzt die Stiftung 2016/2017 das Programm openTransfer Ankommen um, das Engagierte in NRW bei ihrer Arbeit mit jungen Geflüchteten unterstützt. Mit openTransfer Patenschaften begleitet Bürgermut seit 2017 die Patenschafts- und Mentoringszene. Seit der Öffnung des Bundesprogramms “Menschen stärken Menschen” 2021 erreichen die Angebote auch Tandemprojekte für Menschen aus benachteiligten Lebenslagen.

Die Digitalisierung des Dritten Sektors

Was Elmar Pieroth 2007 nicht gedacht hätte? Dass ausgerechnet er eine Stiftung gründet, die einmal stark auf Digitalisierung setzen wird, um Initiativen aus der Zivilgesellschaft zu unterstützen. Der Stifter war kein digital affiner Mensch. Offenheit, eine Fähigkeit bzw. Haltung, die gerade die Digitalisierung einfordert, hat er aber mitgebracht. Denn gegen den digitalen Weg, den Bürgermut mit dem Weltbeweger einschlug, hat er sich nie gesperrt.

Welche Chancen im Digitalen liegen, hat das Bürgermut-Team früh erkannt und vorangetrieben. Vom Online-Magazin Enter über E-Books und Webinare, lange bevor wir alle Zoom genutzt haben, bis zu digitalen Konferenzen wie dem digitalen Flüchtlingsgipfel 2016: Mit digitalen Tools konnten zahlreiche Engagierte in ganz Deutschland günstig, ortsunabhängig vernetzt und beim Wissenstransfer unterstützt werden.

Bald zeigte sich, dass es teilweise großen Aufholbedarf im Dritten Sektor gab, wenn es um digitale Tools, Skills, Arbeitsweisen ging. Neben vielen Webinaren zu digitalen Themen begann Bürgermut, Barcamps zu nutzen, um digitale Vorreiter:innen in zivilgesellschaftlichen Organisationen zu vernetzen und den Austausch von Wissen zu fördern. Allein zum ersten otc #Digitalisierung 2017 kamen 130 Teilnehmer:innen. Seit 2018 unterstützt das Programm D3 – so geht digital gezielt Vereine und Non-Profits bei der Digitalisierung. D3 ist ein Digital-Magazin für Neugierige, Wissensspeicher und Partnerbörse für Praktiker:innen. Mit Formaten wie Level Up! oder den Peer Learning Circles hilft D3 zivilgesellschaftlichen Organisationen auch ganz praktisch, ihre digitalen Herausforderungen zu meistern. Seit 2019 richtet Bürgermut zudem den Digital Social Summit, die Digitalkonferenz für die Zivilgesellschaft, aus.

Die Pandemiezeit

trifft zivilgesellschaftliche Organisationen besonders schwer. Dank der digitalen Expertise kann Bürgermut vielen Vereinen und Non-Profits schnell helfen, die ersten Hürden zu nehmen. Auch das Team lernt dazu, entwickelt neue digitale und hybride Formate, wächst und bekommt mit Uwe Amrhein, Cathrin Heinrich und Sebastian Gillwald im Sommer 2020 ein neues Trio an der Spitze.

Kreativ und vielseitig: Engagement im Osten von Deutschland

Zusammenhalt: Ein großer Begriff steht für das jüngste openTransfer Programm. Seit Anfang 2022 unterstützt das Team Organisationen, die mit ihrer Arbeit den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Osten Deutschlands stärken.

Vielseitig und kreativ ist hier das Engagement. Dennoch ist bis heute zu spüren, dass in der DDR die „freie Entfaltung bürger­schaftlichen Engagements Einzelner oder kleiner Gruppen eher gebremst“ wurde. Dafür ist „die innere Motivation, Verhältnisse aus eigener Kraft zu verändern, extrem hoch“, beobachtet Bürgermut-Geschäftsführer Sebastian Gillwald.

Zum Auftakt von openTransfer Zusammenhalt ging das Team auf Webinar-Reise und traf mutige Projekte wie das Treibhaus Döbeln, den heimatBEWEGEN e. V. oder die Radikalen Töchter. Im Sommer 2022 folgte das erste openTransfer CAMP Zusammenhalt in Rostock. Mit zahlreichen digitalen und analogen Angeboten wie Sprechstunden und Meet-ups zu aktuellen Herausforderungen schafft das Programm seitdem Austausch- und Lernmöglichkeiten und hilft mit Kontakten und Methodenwissen weiter.

15 Jahre Bürgermut

Im November 2022 war es so weit. Freund:innen und Wegbereiter:innen folgten der Einladung ins Hubertusbad in Lichtenberg. Nach dem offiziellen Programm und einer Einlage der Impro-Theatergruppe Die Gorillas, die auf der Bühne nicht nur Herzen skalierte, wurde gefeiert und auf die nächsten 15 Jahre angestoßen.

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